Montag, 19. November 2012

Voller Spannung, aber auch mit Humor

Die Alfdorfer Autorin Ursula Großmann veröffentlicht ihr erstes Buch mit dem Titel: „Am Ende das Nichts“
Alfdorf. Ihr geht es nicht darum, mit der Veröffentlichung eines Buches Geld zu verdienen. Vielmehr hat sich die 55-jährige Alfdorferin Ursula Großmann mit ihrem Debüt einen Traum verwirklicht. „Am Ende das Nichts“ ist ein spannender Roman, der ab Freitag, 9.November, im Buchhandel erhältlich ist.


„Ich betrat das Lehrerzimmer, das menschenleer war. Erleichtert, in meiner Übermüdung keinen Small Talk führen zu müssen, setzte ich mich an einen Tisch. Doch meine Freude sollte nicht lange währen. Nur ein paar Minuten später öffnete sich die Tür und Hans Stiegl kam mit einem Stapel Blätter herein. Sein Blick verdüsterte sich sofort, als er meiner ansichtig wurde.“
Die Autorin kennt sich aus, hat sie doch selbst den Lehrerberuf erlernt. Gleichwohl hat das Werk keinerlei autobiografische Züge oder einen Bezug zu einem wirklichen Fall. „Der Roman entspringt rein meiner Fantasie.“
„Schmunzeln, Schmachten und Schaudern“, verspricht die Alfdorfer Autorin in ihrem Spannungsroman, der sowohl psychologische und dramatische als auch humorvolle Elemente vereint.
Eine Lehrerin will wieder arbeiten
„Ich will endlich wieder arbeiten!“, denkt sich die attraktive Lehrerin Isabel und stürzt sich voller Elan zurück ins Schulleben. Doch die anfängliche Euphorie währt nicht lange, denn Konflikte mit Schülern, Kollegen und ihrem Mann werfen dunkle Schatten auf ihr Leben. Unheimliche und unerklärliche Ereignisse und nicht zuletzt ein amouröses Abenteuer bringen ihre heile Welt gefährlich ins Wanken. Wer steckt hinter all den mysteriösen Vorkommnissen, anonymen Anrufen und Drohbriefen? Wem kann sie noch trauen? Schleichend nehmen die verhängnisvollen Verwicklungen ihren Lauf und führen unaufhaltsam zum dramatischen Ende.
Ursula Großmann wuchs in der romantischen Dreiflüssestadt Passau auf. Dort verbrachte sie eine glückliche Jugend, bis es sie nach ihrem Abitur 1978 zum Studium nach Regensburg verschlug. Der Liebe wegen wanderte die geborene Bayerin nach zwei Semestern Pädagogik nach Schwaben aus und schloss 1984 ihre Lehrerausbildung in Esslingen ab. Seit 1994 wohnt sie mit ihrer Familie in Alfdorf.
Schon in Jugendtagen liebte sie es, Geschichten zu verfassen, fand jedoch kaum die Zeit, sich ihrem Hobby intensiver zu widmen. Ihre Freundin erhielt immer wieder Leseproben und meinte: „Da solltest du mehr draus machen.“ Im besten Alter setzte sie ihren größten Traum in die Tat um: Sie schrieb ihren ersten Roman „Am Ende das Nichts“ – eine tragische Geschichte um Alltagsprobleme, verbotene Liebe, fatale Leidenschaft, Intrigen und tiefe seelische Verletzungen. Die inzwischen 24-jährige Tochter Evelyn Großmann durfte das Erstlingswerk als Erste lesen und war spontan begeistert. Immer wieder hatte sie zu ihr gesagt: „Mama, schreib ein Buch.“
Das Erstlingswerk soll kein Einzelgänger bleiben. Ursula Großmann schreibt, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung verrät, bereits an ihrem zweiten Werk.

Foto: „Am Ende das Nichts“: Ursula Großmann aus Alfdorf hat ihren ersten Roman geschrieben, der ab 9. November als Taschenbuch erhältlich ist. (ZVW)

Zeitungsverlag Waiblingen

Königin der Selbstunterschätzung

Die Alfdorferin Ursula Großmann stellt im Rathaus ihr Erstlingswerk „Am Ende das Nichts“ vor

„Lesen Sie das Buch von vorn, sonst bringen Sie sich um die Spannung.“ Mit diesem Ratschlag spielte die Alfdorfer Autorin Ursula Großmann bei der Präsentation auf den Titel ihres Buches an: „Am Ende das Nichts“.


Alfdorf. Das Buch, ein Psychokrimi, „war so spannend, dass ich ihn trotz reichlich Arbeit nicht aus der Hand legen konnte“, bekannte Bürgermeister Michael Segan vor den zahlreichen interessierten Zuhörern, die Ursula Großmanns Lesung im Alfdorfer Rathaus am Donnerstagabend besucht haben. Die 54-jährige Autorin gab Einblicke in ihre Schreibwelt. Sie schreibe aus Spaß am Schreiben, es sei ihr Hobby. Schon als Schülerin habe sie immer alles eifrig notiert, wenn es im Deutschunterunterricht um Interpretationen ging. Lesen sei ihre große Leidenschaft. Da lag es nicht fern, dass ihr nach eifriger Lektüre der Bücher von Psychokrimiautoren wie Charlotte Link, Petra Hammesfahr und Joyce Fielding der Gedanke kam, das könnte ich doch auch mal probieren. Aber bei Großmann sollte ganz anders sein. Sie wollte in ihrer Geschichte ohne Polizei auskommen.
„Am Ende das Nichts“ nimmt langsam Fahrt auf. „Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich“, so der Rat von Tochter Evelyn, die ihren Geburtstag an diesem Tag feierte, „fangen Sie nicht am Abend an zu lesen“, denn dann sei es um die Nachtruhe geschehen. In ihrer humorvollen Laudatio bezeichnete sie ihre Mutter als Königin der Selbstunterschätzung. Aber sie sei stolz, dass sie Erstleserin des Manuskripts war.
Stolz berichtete Jörg Schumacher, Geschäftsführer des Einhorn-Verlags, davon, wie das Manuskript innerhalb eines Jahres zum Buch wurde. Jetzt habe man einen Titel, von einer einheimischen Autorin geschrieben, der aber in jeder Stadt spielen könnte und damit interessant für ein breiteres Publikum sei.
Um was es in diesem Psychothriller geht, riss Ursula Großmann mit einigen Textstellen an. Eine junge Lehrerin will nach der Familienpause wieder aktiv in den Beruf einsteigen. Das Familienleben, so ihre Planung, wird davon nicht durcheinander gebracht, denn sie stellt eine Haushälterin ein. Aber deren Attraktivität könnte den Familienfrieden ins Schwanken bringen. Die Kollegen in der Schule sind ein bunt gemischter Kreis an Charakteren, der Spannung verspricht.
Leider hat die Autorin Wort gehalten: Nichts verraten, aber Appetit gemacht auf mehr. So wie die musikalische Umrahmung von Gitarrist Rolf Hager, der Songs von R.E.M, Silbermond und den Beatles intonierte und sang. Nicht zu vergessen das außerordentliche Häppchenbuffet der Alfdorfer Landfrauen.

 Ursula Großmanns Roman „Am Ende das Nichts“ ist erschienen im Einhorn- Verlag Schwäbisch Gmünd, ISBN 978-3-936373-72-1, das Buch kostet 14,80 Euro.

Foto: Autorin Ursula Großmann hat aus Rolf Hagers Musikrepertoire Stücke zu ihrer Buchvorstellung gewählt.   (Foto: gkg)
 

Dienstag, 30. Oktober 2012

Die 4. Leseprobe ist da!

… Sabine gab uns jedoch zu verstehen, dass sie müde war und den gemütlichen Abend hiermit beenden wollte.
„Schade!“, meinte Jan. „Aber wir wollen deine Gastfreundschaft natürlich nicht überstrapazieren und gehen deshalb auch brav schlafen.“
 Also fügte ich mich der Allgemeinheit und wir halfen Sabine unsere Schlafstätten im Wohnzimmer herzurichten.
Als ich mich hinlegte, nachdem ich ein kniekurzes Nachthemd von Sabine angezogen hatte, drehte sich alles in meinem Kopf. Jan musste sofort eingeschlafen sein, da ich sein gleichmäßiges Atmen vernehmen konnte. Bald darauf fiel auch ich in einen unruhigen Schlaf.
Patrick stand neben dem Lehrerpult und bedrohte mich mit einem Klappmesser. Plötzlich fing mein Handy an zu klingeln. Ich suchte es fieberhaft in meiner Schultasche, während Patrick hysterisch schrie, dass ich das sein lassen sollte. Doch ich kramte weiter verzweifelt in der Tasche, konnte es aber nicht finden. Ein lautes Krachen ließ mich aus dem Schlaf hochschrecken. Das Handy klingelte immer noch laut und fordernd und Jan lag stöhnend auf dem Boden.
„Geh doch endlich ran, sonst bin ich umsonst von der Liege gefallen.“ Taumelig und mit klopfendem Herzen nahm ich es vom Wohnzimmertisch.
„Ja!“, raunte ich verschlafen hinein.
„Sag mal, wo steckst du denn um Himmels willen! Es ist drei Uhr nachts!“ Alex’ Stimme klang ehrlich besorgt.
„Ich übernachte bei Sabine. Hast du meine SMS nicht gelesen?“
„SMS? Ach so, mein Handy war nicht aufgeladen und ich habe es bei all dem Klinikstress auch noch dort vergessen. Wieso kommst du denn nicht nach Hause?“
„Es ist leider etwas später geworden. Ich erkläre es dir morgen. Sascha ist übrigens bei seinem Freund.“
„Na gut, dann schlaf weiter.“
„Ja, bis morgen!“
War Alex jetzt eingeschnappt? Und wenn schon, das Ganze war eben dumm gelaufen, und ich hatte wohl das Recht, mit meinen Freunden zu feiern. Morgen würde ich alles wieder geradebiegen. Jetzt musste ich mich erst einmal um Jan kümmern, der noch immer vollkommen umnebelt auf dem Boden saß. Ich beugte mich zu ihm hinunter und zerrte an seinem Unterarm.
„Nun komm schon, kriech wieder auf die Liege oder schlaf auf der Couch weiter, schließlich habe ich dich um den Schlaf gebracht.“
Schwer wie ein Mehlsack an mir hängend, rappelte er sich mühsam wieder auf. Als wir endlich aufrecht standen, umfasste er mich an der Taille, obwohl er eigentlich keine Stütze mehr benötigte.
„Mit dir wird es nicht langweilig, schöne Frau. Weiß dein Mann eigentlich, was für ein Glückspilz er ist?“
Er zog mich noch näher an sich ran und blickte mir dabei so tief in die Augen, dass sich zu meinem alkoholbedingten Schwindel noch ein weiterer gesellte.
Er hatte mich fest im Griff. Sein Gesicht kam immer näher, ich konnte schon seinen Atem spüren. Es war eindeutig, dass er mich küssen wollte! Mit letzter Willenskraft wehrte ich mich gegen das Verlangen, dasselbe zu tun, und befreite mich panisch aus seiner Umarmung.
„Jan, du bist betrunken. Schlaf jetzt besser weiter.“ Ich schob ihn zur Couch, wo er sich mit einem tiefen Seufzer zusammenrollte und in der nächsten Minute wieder eingeschlafen war.
Es konnte nur an dem Restalkohol im Blut liegen, dass er sich so ungehemmt angenähert hatte. Morgen würde er es vergessen haben oder es würde ihm peinlich sein.
Als ich versuchte auf der unbequemen, schmalen Liege eine geeignete Schlafposition zu finden, fiel mein Blick auf die Wohnzimmertür. Sie stand einen kleinen Spalt offen und sofort beschlich mich das Gefühl, beobachtet zu werden. …

Montag, 8. Oktober 2012

Leseprobe 3

 
… Mein Sinn stand plötzlich nur noch nach einem wohltuenden Entspannungsbad.
Ich brachte deshalb Sascha zu Bett, füllte die Eckbadewanne und ließ mich genüsslich in das schaumbedeckte Wasser gleiten. Nach diesem verrückten Tag war es die pure Erholung, die Wärme des Wassers zu spüren, den Rosenduft des Badeschaums einzuatmen und mich von Mozartmusik berieseln zu lassen. Das wohlige Gefühl, das sich in mir ausgebreitet hatte, wurde jäh durch das penetrante Klingeln des Telefons zunichtegemacht. Ich sah innerlich fluchend den Hörer an, der auf dem Sims neben der Badewanne lag, und war unschlüssig, ob ich abheben sollte. Das Display zeigte keine Nummer an. Wenn es nun aber meine Eltern oder Schwiegereltern waren? Ich machte die Musik aus und hob ab. Keine Antwort. Schon wieder! Ich rief das berühmte A-Wort in den Hörer und legte auf. In Sekundenschnelle war meine Stimmung wie auf einer Achterbahn nach unten gerauscht. Ich setzte mich auf und begann lustlos meine Haare zu waschen.
Plötzlich vernahm ich ganz entfernt ein Geräusch und hielt angespannt inne. Obwohl ich nichts hören konnte, beschlich mich ein beklemmendes Gefühl, das nicht weichen wollte. Alex konnte es nicht sein, denn er hatte mir per SMS mitgeteilt, er würde später nach Hause kommen. Und Sascha hatte bereits tief und fest geschlafen, als ich ins Bad ging.
War die Kellertür zugesperrt? Hatte ich die Terrassentür geschlossen? Jetzt mach dich nicht verrückt, tadelte ich mich selbst. Als ich meinen Körper einseifte, hörte ich wieder einen undefinierbaren Laut. Ängstlich drehte ich mich um und sah zur Tür. Sie war verriegelt, doch dieses Schloss konnte man von außen öffnen, wie Alex mir schon des Öfteren eindrucksvoll demonstriert hatte. Von Angst getrieben fuhr ich hastig fort mich einzuseifen. Dabei sah ich mich immer wieder zur Tür um. Als ich mit der Brause meine Haare abspülte, legten sich plötzlich zwei Hände auf meine Schultern und drückten mich nach unten. Ich erschrak fast zu Tode, riss den Mund auf, um zu schreien, doch im nächsten Moment war ich schon unter Wasser…

Donnerstag, 13. September 2012

Leseprobe 2


… Ich betrat das Lehrerzimmer, das menschenleer war. Erleichtert, in meiner Übermüdung keinen Smalltalk führen zu müssen, setzte ich mich an einen Tisch. Doch meine Freude sollte nicht lange währen. Nur ein paar Minuten später öffnete sich die Tür und Hans Stiegl kam mit einem Stapel Blätter herein. Sein Blick verdüsterte sich sofort, als er meiner ansichtig wurde, und die passende Bemerkung hatte er auch gleich parat.
„Na, heute haben Sie ja einen gewaltigen Frühstart hingelegt, ganz im Gegensatz zum Konferenztag!“, sagte er spöttisch und ging dabei zu seinem Tisch, auf den er die Arbeitsblätter knallte. Warum musste ausgerechnet dieser Ausbund an Unverschämtheit so früh hier sein! Warum nicht Jan? Mit ihm wäre es zum reinen Vergnügen geworden, doch mit Hans war Kampf angesagt.
„So etwas kann doch jedem mal passieren, auch Ihnen. Das liegt eben in der Natur des Menschen.“
„In der Natur schusseliger Menschen vielleicht!“ Er lachte höhnisch.
Ich musste an mich halten, um nicht entnervt aufzustöhnen. War es diesem Kerl denn nicht möglich, in normalem Ton zu kommunizieren?
„Sie haben heute Englisch in meiner Klasse. Ich möchte Sie vor Patrick warnen, ein unguter Geselle. Er kommt aus schwierigen Verhältnissen. Die Mutter ist schon zum dritten Mal verheiratet, hat vier Kinder von drei Männern und sein Stiefvater hat Probleme mit dem Alkohol, was auch schon auf Patrick abfärbt. Von Frauen lässt er sich übrigens ungern unterrichten.“
„Aha“, antwortete ich kurz angebunden.
Ich war nicht gewillt, mich mit diesem Widerling weiter zu unterhalten. Leider handelte ich mir damit die nächste Klatsche ein.
„Mehr fällt Ihnen nicht dazu ein?! Oder war das zu viel Information auf einmal zu so – für Sie zumindest – ungewöhnlich früher Stunde?“
Wie konnte man diesem fiesen Lästermaul bloß wirksam Kontra geben? Mir fiel nichts ein, also wedelte ich nur verärgert mit meiner Kopiervorlage vor seiner dicken Nase herum und antwortete in schroffem Ton: „Ich habe jetzt keine Zeit mehr für Ihre Belehrungen. Sie entschuldigen mich!“
Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und eilte davon.
Während ich dem Kopiergerät zusah, wie es die Blätter nacheinander ausspuckte, dachte ich darüber nach, mit welcher Strategie ich mich gegen ihn wehren konnte. Am besten war es, mich nicht provozieren zu lassen. Wenn ich ihn mit seiner Boshaftigkeit auflaufen ließ, würde es vielleicht irgendwann reizlos für ihn werden, mich zu ärgern, und ich hätte meine Ruhe. Die Theorie war gut, fragte sich nur, wie die Praxis aussah. Ich muss mich jetzt auf den Unterricht konzentrieren, dachte ich, packte entschlossen meine Blätterstapel, drehte mich um und wurde unsanft von einem männlichen, mit brauner Lederjacke bekleideten Oberkörper gerempelt. Ich ließ vor Schreck mein gesamtes Kopiergut fallen, das sich gleichmäßig über den Boden verteilte.
„Oh Verzeihung, Isabel, ich bin dir wohl zu nahegetreten!“, rief Jan lachend und ging gleich darauf in die Hocke, um die Blätterflut einzusammeln.
„Ach du bist es! Ich dachte schon …“, stieß ich erleichtert hervor.
Er sah zu mir hoch. „Was dachtest du?“
„Nichts weiter.“
Ich ging ebenfalls in die Hocke und scharrte die Blätter zusammen.
„Was hat dich denn schon so früh aus dem Bett gejagt? Schlecht geschlafen?“, fragte er und sah mich prüfend an. Nur dieser eine kurze Blick in mein Gesicht hatte ihm genügt, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
„Unsere Haushälterin macht gerade Ärger, und der Gedanke an sie hat mir den Schlaf geraubt. Aber Alex wird das schon regeln.“
„Alex?“
„Mein Mann.“
Für ein paar Sekunden verfingen sich unsere Blicke auf seltsame Weise. War es Neugierde, die ich in seinen Augen erblickte? Hastig fuhr ich fort die restlichen Blätter einzusammeln.
„Hier!“ Er reichte mir lächelnd seinen Stapel und streifte dabei meine Hand. Es war nur eine unbedeutende, zufällige Berührung, und doch war es, als hätte ich einen Stromschlag erhalten. Irritiert stand ich auf und presste den Blätterstapel wie ein Schutzschild an meine Brust.
„Gut, ich muss dann los. Wir sehen uns in der Pause“, sagte ich nur, drehte mich auf dem Absatz um und verließ eilig, ohne eine Antwort abzuwarten, das Lehrerzimmer. …

Dienstag, 14. August 2012

Leseprobe 1

Panikartig lief ich zur Tür und schloss sie. Das konnte nicht sein! Hilflos fuhr ich mir durch die strubbeligen Haare. War etwa in den zwei Stunden, in denen ich geschlafen hatte, jemand ins Haus eingedrungen? Ein übermächtiges Gefühl der Angst übermannte mich und ich fing leise an zu wimmern. Wenn doch nur Alex hier wäre! Mir fielen wieder die Worte ein, die auf dem Drohbrief standen. Genießen Sie die Ferien, es könnten Ihre letzten sein. Sollte etwa diese Morddrohung heute wahr gemacht werden?
Ich schnappte mir das Telefon, rannte wie von Hunden gehetzt ins Schlafzimmer und schloss mich ein. Alex war nicht erreichbar. Wen sollte ich also um Hilfe bitten? Babs oder Sabine? Nein, ich brauchte männlichen Schutz. Jan! Natürlich, er würde mir sofort helfen. Dummerweise hatte ich sämtliche Telefonnummern meiner Kollegen im Arbeitszimmer. Das Telefon läutete wieder und ich warf es vor Schreck auf die Bettdecke, wo ich es klingeln ließ. Ich wusste ja, dass es der anonyme Anrufer war. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ich musste Jan dazu bringen, zu mir zu kommen, und stürmte samt klingelndem Telefon ins Arbeitszimmer, schloss hinter mir ab und suchte mit fliegenden Fingern in meinem Adressbuch nach seiner Nummer. Ich zitterte so sehr, dass ich kaum fähig war zu wählen. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich abhob und „Fenrich!“ in den Hörer grunzte.
„Jan, Gott sei Dank, du bist da!“, flüsterte ich.
„Wer ist denn dran? Es ist drei Uhr nachts, verdammt noch mal.“
„Ich bin es, Isabel. Kannst du zu mir kommen? Ich drehe fast durch vor Angst. Ich glaube, es ist jemand im Haus“, wisperte ich leise.
„Isabel?“ Seine Stimme klang jetzt schon wacher. „Wer ist im Haus? Was redest du da?“
„Bitte, Jan, komm her. Ich erkläre es dir, wenn du da bist“, flehte ich ihn weinerlich an, „bitte, du bist meine letzte Hoffnung.“
„Schon gut. Beruhige dich. Ich komme, so schnell ich kann.“
Schlotternd vor Angst kauerte ich, mit einem spitzen Brieföffner bewaffnet, auf meinem Schreibtischstuhl und lauschte angestrengt nach draußen. Kein Laut war zu hören. Plötzlich hörte ich ein Knacksen und mein Herz fing wie wild an zu pochen. Es befand sich doch jemand hier! Ich saß wie gelähmt da und starrte gebannt auf die Türklinke, ob sie sich bewegte. Doch nichts geschah. Es herrschte wieder diese unerträgliche, bedrückende Stille. Ein Gefühl von grenzenloser Einsamkeit und Ausgeliefertsein nahm Besitz von mir und stürzte mich in tiefe Verzweiflung. Wenn doch Jan endlich käme!
Ich weiß nicht, wie lange ich auf diesem Stuhl, die Tür anstarrend, verharrt hatte, als die Türklingel diese Stille zerschnitt. Ich zuckte heftig zusammen und war nicht fähig mich zu bewegen. War das Jan? Oder derjenige, der mir den Drohbrief geschrieben hatte? Die Klingel ertönte wieder, doch ich konnte mich nicht dazu überwinden hinauszugehen. Vielleicht rannte ich dann geradewegs in die Arme des Eindringlings! Die Klingel ertönte, um Einlass fordernd, noch zweimal hintereinander, aber ich blieb wie festgeklebt sitzen. Mein Handy klingelte und ich nahm es zitternd in die Hand.
„Jan ruft an“ las ich auf dem Display und nahm erleichtert ab.
„Jan?“
„Isabel, was ist los? Warum machst du die Tür nicht auf?“
„Ich, ich hatte Angst, es könnte jemand anderes sein. Ich komme“, sagte ich mit matter Stimme und ging zur Zimmertür. Langsam drehte ich den Schlüssel um und öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Es war nichts zu hören. Leise trat ich mit dem Brieföffner in der Hand auf den Flur und sah mich um. Ich konnte nichts Ungewöhnliches entdecken, dennoch rannte ich so schnell wie möglich die Treppe hinunter zur Haustür. Atemlos nahm ich den Telefonhörer von der Sprechanlage und rief hinein: „Jan, bist du da draußen?“
„Ja, wer sonst! Ich bin bald tiefgekühlt, wenn du mich noch länger warten lässt!“
Ich riss die Tür auf und sah Jan mit verstrubbelten Haaren, roter Nase und besorgtem Dackelblick stehen.